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Mittwoch, 25. September 2013

Guck doch mal

Da sitzt sie, gleich hinter dir. Die Hand auf deiner Brust, direkt an deinem Herz. So hält sie dich fest. Mit kalten Händen. Sie guckt grimmig und raunt dir zu. "Das geht schief. Das endet wieder fies. Ich sags dir. Geh da nicht hin!" 

Du lauscht aufmerksam. Ein kalter Schauer läuft dir über den Nacken und verpasst dir Gänsehaut. Deine Ohren sind gespitzt und hören ihr zu. Deine Augen aber schauen gebannt auf ihn. Vielleicht ist er es. Kann das sein? Ist er endlich da? 

Da zupft etwas an deiner Hand. Du schaust herunter und siehst sie, deine alte Bekannte. Du hast sie lange nicht gesehen. Ganz klein ist sie wieder, ein bisschen blass um die Nase. Aber sie lächelt zaghaft und flüstert dir leise zu: "Guck doch mal!" 

Also gehst du einen Schritt näher ran, damit du ihn besser ansehen kannst. So richtig erkennst du ihn noch nicht. Ist er es? Die kalte Hand auf deinem Herz aber hält dich zurück, hält dich fest. "Nein. Bleib hier. Das ist er nicht. Geh nicht näher ran!" 

Da zupft es wieder an deiner Hand: "Guck doch mal!" Die Wangen sind schon rosiger, die Augen leuchten. Ihr Lächeln gleicht der Sonne. Du schaust wieder zu ihm. "Jetzt guck doch mal!" sagt die Kleine wieder. "Das ist er!" 

Gegen den Druck der kalten Hand auf deinem Herz lehnst du dich nach vorn, um besser sehen zu können. Es scheint wirklich, als wäre er es. Wenn du noch ein Stück näher ran gehst, um besser sehen zu können, dann wüsstest du es. Aber die kalte Hand hält dich fest in ihrem Griff. 

Da zupft die Kleine wieder an deiner Hand. "Jetzt guck doch mal hin!" Die Liebe lächelt immer breiter, sie lacht richtig und zerrt dich nach vorn, dreht dich noch ein wenig, und zieht dich geschickt aus dem Griff der kalten Hand. 

Die Angst zischt nochmal "Nein, verdammt, bleib hier! Das ist er nicht!" und ihr kalter Atem jagt dir einen Schauer über den Rücken. Da stolperst du aber schon nach vorne, und ehe du weißt was passiert ist, stehst du vor ihm. 

Und endlich erkennst du ihn.

Ein Stück Glück.

Wenn einem bewusst wird, dass es unendlich viel und unendlich schöne Musik gibt, die einem Mitten ins Herz sieht und dich in eine völlig andere Welt reißt, dann hat man ein kleines gutes Stück Glück gefunden.

Für eine Runde Auszeit im Kopf heute MINE. Abtauchen. Eintauchen. Atmen. 


Mittwoch, 11. September 2013

Sonntagsmelancholie Rezept


Sonntagsmelancholie, die [n., f]: Emotionale Phase der leichten Melancholie, die i.d.R. Sonntags gegen späten Nachmittag eintritt und bis zum Zubettgehen anhält. Hervorgerufen wird sie durch besonders schöne Samstage (meist Abende, die ggf. bis in die sonntäglichen Morgenstunden andauern und die oft eine Kombination aus zauberhaften Menschen, musikalischer Untermalung sowie Alkohol darbieten) und dem niederschmetternden Bewusstsein, dass man sich am nächsten Morgen der "Montagsrealität" stellen muss.

Mein musikalisches Fundstück für die richtige Sonntagsmelancholie ist der wunderbare Brite Frank Turner. Der Song "Tell tale signs" mag nicht sein erfolgreichster sein, aber vielleicht sein schönster. 



Perfekter Deep-Shit-Song für die kommende Jahreszeit, wenn so langsam die Kälte durch die Altbau-Fenster zieht und die Dunkelheit gleich hinterher krabbelt. Um die ultimative "Tell tale signs" - Atmosphäre zu schaffen, braucht ihr folgende (zugegeben Klischee-behaftete) Zutaten: 
- Regen
- Fensterbank (mit Kissen)
- Rotwein, wahlweise ergänzt durch Zigarettchen
- Sonntagsmelancholie 
- Beziehungskomplikationen



Donnerstag, 8. August 2013

"You got a pretty hot ass" sagte sie und zog sich den nächsten rein.

Die Geschichte einer Freundschaft


Als ich sie das erste Mal sah, machte sie einen fast schon biederen Eindruck. Sie saß bei uns im Wohnzimmer auf einem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, in einer dunklen Hose und einem beigen Jacket. Die schwarzen Haare waren in einem strengen Zopf zurückgebunden, und ihre dunklen Augen fixierten mich unfreundlich. In einer rauhen Stimme erzählte sie uns von ihrem angehenden PHD, dass sie ihre Heimat New Mexico vermisst und sehr gerne Hunde mag. Amerikanerin! Von denen hielt ich nicht viel. Sie würde bis Ende November bleiben und dann für drei Monate nach Albuquerque zurückgehen, bevor sie nach Canberra zurück kommt und ihren PHD zu Ende macht. Und sie findet unsere WG sehr schön, und würde sofort einziehen, wenn wir es wollen. Nachdem sie gegangen war, sah ich Dal fragend an. "So, what do you think?" Er zuckte die Schultern in seiner für ihn typischen Art und sagte, sie scheint ok zu sein, wir sollten ihr zusagen. Ich zögerte. Gott, sie war mir irgendwie überhaupt nicht sympatisch, wirkte langweilig, fast schon unheimlich und irgendwie auch uncool. Aber ich wusste, das Zimmer musste neu vermietet werden und zwar schnell, denn Dal muss als Hauptmieter die fehlende Miete übernehmen, und das tat er bereits seit ein paar Wochen. Die bisherigen Kandidaten waren entweder nicht vielversprechend gewesen oder hatten uns abgesagt. "Well, I guess we could give it a try." erwiderte ich und Dal wandte sich schon wieder anderen Dingen zu, das Thema schien erledigt. Drei Tage später zog sie bei uns ein.

Da war sie nun, plötzlich teil meines so geliebten Zuhauses, meiner WG-Familie, ein durch den Flur schleichender Eindringling in meine gefestigten Gefilde. Und sie war immer da. Immer. Freunde hatte sie kaum. "Kein Wunder" dachte ich arrogant und stahl mich des abends zunehmend zu 'normalen' Freunden und erzählte ihnen von meiner seltsamen neuen Mitbewohnerin. Ich erzählte, dass sie täglich um sechs aufsteht, sich einen Kaffee macht und im Bademantel in den Garten geht, um einen Kopf zu rauchen. Dass sie überhaupt sehr oft im Bademantel zu Hause herumschlurft. Dass sie mitkommen wollte als ich laufen ging, und mir dann nach einer viertel Stunde locker nebeneinanderher-joggens erzählte, sportliche Betätigung würde sie immer erregen. Dass ich ständig das Gefühl hatte, sie würde mich mit den Augen ausziehen und oft und gerne über 'erotische Themen' sprach. Dass sie regelmäßig einen mächtigen Hustenanfall bekommt, sie das aber nicht am täglichen Pott rauchen hindere. Dass sie einen Kumpel hatte, der weder schön noch schlau war, ständig vorbei kam und mit dem sie mit Pinsel und Tusche Bilder von Einhörnern und Rittern malte.

"Oh mein Gott" dachte ich mehrfach und fragte mich, was für einen seltsamen Fang wir uns da in unsere Hütte geholt haben. Doch Dal schien das alles gelassener zu sehen und ihre Anwesenheit immer mehr zu genießen. Ich zierte mich und verhielt mich daher zwar freundlich aber reserviert. Doch die Wochen zogen ins Land, es wurde Frühling und unsere kleine WG fand sich zunehmend am Abend zusammensitzend im Garten, wo sich auch unsere Nachbar-WG nahezu täglich dazu gesellte. In vielen Nächten redeten wir über Gott und die Welt, über das Leben und alles andere. Meine seltsame Amerikanerin schaffte es mir meine Arroganz und Vorurteile auszutreiben. So wich meiner Reserviertheit langsam aber sicher Bewunderung. Sie sah mir direkt in die Augen während wir gegenüber saßen und sagt in ihrer rauchigen Stimme, sie fände mich schön und meinen Hintern heiß wenn ich in meinen engen Sportklamotten abends vom Laufen kam. Ich erkannte dass sie es nicht aufdringlich meinte, da sie sich ihrer Chancen bewusst war und reagierte genau mit dem, was sie beabsichtigt hatte: ich sah es als reines Kompliment und freute mich. Es wurde herrlich unkompliziert. Sie schleuderte mir ihre Ehrlichkeit stets schamlos ins Gesicht, und ich liebte sie dafür. Wenn sie mit einem Typen schlief, erzählte sie mir wie groß sein Schwanz war, und wie oft sie gekommen ist. Wenn sie fand, meine Klamotten passen nicht zu mir, sagte sie mir direkt das sieht scheiße aus. Und lieh mir ihre Sachen. Wenn sie traurig war, weinte sie hemmungslos und ich hielt sie im Arm. Wenn wir zusammen ausgingen, tanzte sie so intensiv und leidenschaftlich wie keiner zu den Salsa-Klängen, obwohl sie die Schritte nicht beherrschte, und scherrte sich einen Scheiß wenn andere abwertend glotzen. Ich gesellte mich dazu und ließ mich mitreißen - und fühlte mich so lebendig und unabhängig wie schon lange nicht mehr.

Und dann klingelte um Vier Uhr Dreißig morgens der Wecker. Ich war hundemüde, denn in der Nacht zuvor habe ich mit Dan wieder viel zu lange beim Rotwein über das Leben philosophiert, und zwang mich aus dem Bett. Es war Anfang Dezember, und ich hatte noch drei Stunden bis ich zur Arbeit musste. Ich schlurfte aus meinem Zimmer, und stolperte fast über ihren Koffer. Vier Monate waren rum. War sie mit dem nicht gerade erst eingezogen? Sie wuselte geschäftig hin und her, in fünf Minuten komme ihr Taxi. Ich stand unschlüssig und unnütz daneben, war müde, verkatert und traurig. Sie zog den Reißverschluss ihres Koffers zu, sah mich an und nahm mich in den Arm. Ich wusste, sie war froh jetzt nach Hause, nach New Mexico zurück zu können. Australien war nicht ihr Land auch wenn sie das Zusammenleben mit uns genossen hat. Aber sie würde mich vermissen. Ich hielt sie fest und sagte ihr Danke. Für Alles. Das Taxi fuhr vor. Sie nahm ihren Koffer und stieg unsere Eingangstreppe herunter. Ich stand in der offenen Haustür und sah sie ins Taxi steigen. Sie drehte sich nicht nochmal um. Ihr mit Wasserfarben gemaltes Einhorn hängt in meinem Zimmer.


Den Artikel gibt's übrigens auch hier.

Donnerstag, 1. August 2013

Fotowettbewerbabstimmung

Heut gibts ein bisschen Eigenwerbung aus meinem Job =)

Beim Praktikum für die Umwelt - ein Projekt von EUROPARC Deutschland und den Nationalen Naturlandschaften - gibts von Juni bis September einen Wettbewerb Foto des Monats. Da sind traumhafte Fotos dabei! Hier gehts zur Abstimmung


Dienstag, 14. Mai 2013

Mein neues Experiment: Mikrokredite bei Kiva.org

Ich will es ja schon lange: die Welt retten. Oder zumindest verbessern. Das ist jedoch meist mit viel Aufwand und / oder Geld verbunden. Aber manchmal geht's auch bequem von der Couch aus, seinen kleinen Beitrag zu leisten. Dafür hab ich dieses Jahr ein selbstloses Geburtstagsgeschenk von meinem Liebsten bekommen, nämlich ganze 50 Dollar. Zur freien Verfügung! Und zwar in Form von Kiva-Guthaben. Auf der Seite www.kiva.org kann man nämlich sein Geld in Form von Mikrokrediten an Menschen in der dritten Welt verleihen. Damit hilft man ihnen, ein eigenes Standbein zur selbstständigen Versorgung aufzubauen und sie somit in die Selbständigkeit zu bringen. Die Kredite können sie dann, wenn sich die Investition rentiert hat, zurückzahlen. Wenn man sich von Freunden einladen lässt bekommt man selbst und derjenige der einlud, auch noch 25 Dollar geschenkt, die man gleich investieren kann. Also hatte ich insgesamt gleich 75 Dollar zum verleihen. Die ersten 25 gingen an eine Frau in Mali, um damit Erdnüsse zu kaufen. Mit den Einnahmen aus der Ernte will sie so ihre Familie ernähren. Ich drück ihr die Daumen und bin gespannt wie sich das Projekt entwickelt. Jetzt muss ich mir noch überlegen wo ich die restlichen 50 Dollar investiere. Wer es ausprobieren möchte klickt auf den Link, und schon gibts 25 Dollar zum investieren in ein Projekt eurer Wahl, und auch ich bekomme wieder 25 Dollar die ich verleihen kann. Also, draufklicken und gutes tun, ganz gechillt mit ein paar Klicks!




Montag, 13. Mai 2013

Save the world - Share your Food. Ein kleiner Anfang...

Das viele Lebensmittel weggeschmissen werden ist kein Geheimnis, und dennoch ein akutes Problem unserer Überflussgesellschaft. Ich spare mir an dieser Stelle eine ausführliche Darstellung der daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf Ressourcen, Klima, Welthunger, Gesundheit, artgerechte Tierhaltung und Chancengerechtigkeit - wir wissens doch alle. Und dennoch passierts jedem immer wieder - und wirklich immer wieder - dass man Lebensmittel wegwirft, da sie weit über das MHD hinausgewachsen sind.

Ein kleines Instrument dem entgegen zu wirken bietet die Internetplattform www.foodsharing.de, in der Lebensmittel die man selbst nicht mehr braucht zur kostenfreien Selbstabholung zur Verfügung gestellt werden. Eine clevere Idee um Lebensmittel, die man selbst nicht mehr essen wird, nicht dem traurigen Schicksal der schwarzen Tonne hingeben zu müssen. Zum Beispiel wenn man länger in den Urlaub fahren will   und der Kühlschrank aber Überreste von der letzten Party beherbergt. Oder wenn man Oma zu Liebe beim letzten Besuch 40 Gläser ihrer stolz präsentierten weil selbstgemachten Brombeermarmelade mitnahm, obwohl man doch viel lieber Nutella isst. Im Gegenzug kann man, sollte bei einem selbst nicht nur der Kühlschrank sondern auch der Geldbeutel mal wieder gähnende Leere aufweisen, einfach schauen was andere nicht mehr brauchen und ob für einen selbst noch was nettes dabei ist. Bis jetzt sind die Angebote noch dürftig, aber wenn sich das rumspricht und durchsetzt kann das tatsächlich ein ziemliches cooles Tool werden.